Eine Ausstellung setzte sich kritisch mit Geschlechterrollen in der Werbung auseinander.

Konny Reimann ist ein wahrhaftiger Mann. „Echte Wurst für echte Männer“, lautet der Slogan für die „Halberstädter Bockwurst“, für die der ausgewanderte Neu-Texaner da wirbt. Kräftig, muskelbepackt und voller Stolz – so soll „mann“ heute also sein. Nicht nur, um kräftig Würstchen zu essen, sondern auch, um dem Idealbild unserer heutigen Gesellschaft zu entsprechen. Die Ladyfest-Gruppe aus Greifswald hat sich Ende April dem Thema angenommen und stellte eine Woche lang Werbung im IKuWo aus, in der es um unsere heutigen Idealbilder und Vorstellungen von Männern und Frauen ging.

Für Lilli, die sich auch in der Ladyfest-Gruppe engagiert, war es besonders spannend zu sehen, wo die Grenze für jeden Einzelnen zum Sexismus überhaupt anfängt: „Der eine empfindet es schon als sexistisch, wenn nur nackte Haut zu sehen ist, für manch andere wird es allerdings erst grenzwertig, wenn sich Frauen animalisch auf einer Couch räkeln“, beschreibt sie. Die Sexismus-Ausstellung sollte besonders deutlich machen, welche Stereotypen in den Köpfen der Leute verankert sind. „Warum rasiert sich beispielsweise „frau“ die Beine? Weil sie es so möchte oder weil es ihr die Idealbilder, die vor allem in der Werbung Verwendung finden, so suggerieren?“, fragt Lilli.

Es gehe nicht nur darum, dass das emanzipatorische Denken in den Köpfen ist. Es ginge vor allem auch darum, dass dieses Denken umgesetzt werden müsse. Dies taten die Ladyfest-Gruppen schon des Öfteren. So wurde beispielsweise eine Anti-Sexismus-Tour durch ganz Mecklenburg-Vorpommern realisiert, wo es in den einzelnen Workshops um Sexismus im Alltag ging. „Wir wollen ein Bewusstsein schaffen für das Thema und ich merke immer wieder, dass der Begriff ‚Sexismus’ noch nicht angekommen ist. Die Leute stellen sich unter dem Wort Ladyfest wahrscheinlich irgendeine Billigparty vor“, schildert Lilli.

Auch im Greifswalder Alltag zeigen sich die „typischen“ Bilder von Frau und Mann. Das fängt schon bei einer gewöhnlichen Schaufensterpuppe im H&M an. Denn die Kleider würden im Rücken mit Stecknadeln gestrafft, sodass sie den überschlanken und großen Frauen passen. Und dann heißt es noch von Seiten der Verkäuferin: „Aber das ist doch Größe 36, das ist eine ganz gewöhnliche Größe.“ Auch das Männermoden-Geschäft von Jens Krafczyk in der Innenstadt fiel schon häufiger durch sexistische Anzeigen auf. So resümierte Blogger Jockel Anfang März diesen Jahres auf seinem „Fleischervorstadtblog“ zu den Anzeigen: „Feuchte Träume, dicke Hoden – ich kaufe Krafczyks Männermoden!“. Dieser Aspekt, der immer wieder auf rollentypische Merkmale und Idealbilder anspielt, findet auch auf den Flyern von Clubs – ob nun studentischen oder nicht – seine Verwendung. So lud der Mira-Club im Februar unter dem Motto „Busen, Caps und Ärsche“ zum Tanz.

„Generell finde ich solche Projekte wie die Ausstellung immer unterstützenswert“, meint Björn Reichel, der beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) das Gleichstellungsreferat besetzt. Das Gleichstellungsreferat ist gleichzeitig auch eine Anlaufstelle für Opfer sexueller Belästigung. Bis jetzt hätte er allerdings noch keine konkreten Fälle zum Thema Sexismus an der Uni verzeichnet. „Allerdings ist gerade in diesem Bereich die Hemmschwelle besonders groß, um sich darüber zu offenbaren“, erklärt der Jurastudent, der seit einem Jahr im AStA tätig ist. Würde ein solcher Fall dem Studentenwerk gemeldet werden, befinde sich dieses in der Pflicht, solch einen Vorfall zu melden. Derzeit würde eine Umfrage zur sexuellen Belästigung in der Geschäftsstelle des Rektorats geprüft werden.

„Wir haben die gesamte Uni – ob nun Dozenten, andere Mitarbeiter oder Studierende – per Mails zu diesem Thema befragt“, erklärt der 26-Jährige. Darunter wurde auch erfragt, was jeder Einzelne unter dem Begriff Sexismus versteht. Diese Fragebögen würden elektronisch ausgewertet und demnächst online zur Verfügung gestellt werden. Schon vor sechs Jahren wurde eine Umfrage dieser Art an der Uni gemacht. Damals hätte es allerdings „keine akuten Fälle gegeben“, erklärt Björn. Um konkret den Gleichstellungsaspekt umzusetzen, gebe es zahlreiche Förderungspläne und Richtlinien. So lautet beispielsweise § 32 der Grundordnung: „Die Universität stellt nach den Maßgaben des Gleichstellungsgesetzes des Landes (…) Frauenförderpläne auf, die auf die Erhöhung des Frauenanteils in Bereichen zielen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind.“

Der Ladyfest-Gruppe wurde während der Ausstellung nicht nur bewusst, wie stark die Auffassungen des Einzelnen von Sexismus divergieren, sondern sie bemerkten auch die positive Resonanz der Besucherinnen und Besucher. „Für manche war es nicht immer deutlich zu erkennen, was an einem bestimmten Werbeplakat sexistisch sein soll“, meint Lilli. Trotzdem wünscht sich die 20-Jährige mehr emanzipatorisches Handeln als nur die bloße Theorie. „Wenn man hier in Greifswald auf Partys ist, sind es meistens nur DJs, die auflegen. Ich würde es zum Beispiel gut finden, wenn es mal mehr DJanes gibt.“ Zusammen mit dem Interdisziplinärem Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IZFG) der Uni Greifswald organisiert die Ladyfest-Gruppe derzeit einen Vortrag. In diesem soll dann Ende Mai über Geschlechterrollen diskutiert werden und ergründet werden, wieso es „das“ biologische Geschlecht nicht gibt.

Ein Bericht von Luisa Pischtschan