Der Streit im Debattierclub – Ein Kommentar von Ewald Leppin

Zur Veranstaltung des Debattierclubs kam ich zufällig, ich ließ mich „mitschnacken“. Und es hat sich gelohnt, obwohl ich hinterher erschrocken und verärgert war. Gelohnt hat es sich, weil ich merkte, dass mich die Debatte um den Namenspatron Arndt doch etwas angeht, dass ich mich intensiver mit dieser für Pommern bedeutsamen Persönlichkeit beschäftigen sollte. Die Absicht, mehr über die Geschichte Pommerns, den deutschen Faschismus und die neuere Geschichte Deutschlands zu erfahren, war einer der Gründe für meinen Wechsel nach Greifswald. Der Uni- Name war kein Beweggrund für meine Entscheidung. Aber wenn er eine Rolle gespielt hätte, dann eine demotivierende.

Nachdem je zwei Vertreter von Befürwortern und Gegnern des Namens zu Wort gekommen waren, schien die gefühlte Argumentationslage klar für die Namensgegner zu sprechen. Der von den Befürwortern aufgezeigte Facettenreichtum Arndts war interessant, wenn es um seine Volksnähe beim Märchensammeln, sein soziales (vielleicht auch eher ökonomisches) Engagement zur Abschaffung der Leibeigenschaft, seine Naturschutzbemühungen oder auch um seine Verdienste bei der Revolution 1848 und der Entwicklung zu einem einheitlichen Deutschland ging.

Die Gründe, die gegen Arndt als Namensgeber, Vorbild und Leitfigur sprechen, waren für mich als zunächst Unbeteiligten aber überzeugender: seine entschiedenen rassistischen, elitär-nationalistischen Positionen, die den Waffengang gegen Franzosen und andere Feinde mit einschlossen, seine militant antisemitische Haltung. Diese Geisteshaltung Arndts führte zu einer problemlosen Vereinnahmung durch die Nazis, auf welche die Namensgebung zurückgeht. Diese Argumente haben mich überzeugt, dass die Uni Greifswald sich nicht weiterhin mit dem Namen einer solchen Persönlichkeit belasten sollte.

An diesem Abend hatte niemand gesagt, dass Arndt für den Herrenmenschen- Rassismus, den Weltkrieg verursachenden Nationalismus oder den massenmordenden Antisemitismus der deutschen Nazis verantwortlich zu machen war. Umso ärgerlicher finde ich, dass Arndt-Befürworter ihren Gegnern solche Positionen unwidersprochen unterstellten und dieses als Beweis vorbrachten, wie emotional moralisierend diese vorgehen. Der Beifall für einen sich antiautoritär gebenden Beitrag erstaunte mich. Er warf den Namensgegnern Professorenhörigkeit vor. Weil diese Arndtkritische Aussagen von Historikern zitierten, unter anderem von Professor Werner Buchholz, dem persönlich anwesenden Pommernforscher.

Erschreckt hat mich der Beifall zu einem Beitrag zum Thema Antisemitismus: Der Antisemitismusvorwurf der Arndtgegner sei verlogen, weil sie sich angeblich nicht hinreichend von antiisraelischen palästinensischen Positionen distanziert hätten und aus der Kurzformel „Palästinenser = Hamas = schlimmste Judenhasser der Gegenwart“ wurde eine Verunglimpfung der Arndt-Gegner konstruiert und gleichzeitig der Antisemitismus der NPD verharmlost: Das war nicht sachdienlich, aber es brachte Beifall für die Bewahrer! Nicht nachvollziehbar war, dass man für die Auseinandersetzung mit Arndt die Beibehaltung des Namens bräuchte. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ein intensives unbelastetes „Sichbefassen“ mit der so widersprüchlichen Persönlichkeit ist ohne die Vorgaben und Verpflichtungen durch das Namenspatronat viel eher möglich.

Unehrlich fand ich Beiträge, welche die Namensbeibehaltung in der DDR als Argument für die Pro-Arndt-Seite verbuchten. Wenn Menschen, die sonst kaum ein gutes Haar am DDR-System lassen, sich in diesem Fall auf die DDR-Führung berufen, wirkt das inhaltlich nicht glaubwürdig. Hier ist es interessant zu wissen, dass der „Stahlhelmer“ und spätere Nazi Walter Glawe (ein Kirchenhistoriker), der die Namensgebung 1933 initiierte, nach der Gründung der DDR 1949 den gleichen Versuch erfolgreich unternommen hat – inzwischen als geläuterter Nazi im Gewande eines SED-Kommunisten.

Bei solcher Entstehungsgeschichte der Namensgebung frage ich mich als Zugereister, weshalb sich die Uni Greifswald auch heute noch diesen ballasthaltigen Namen aufbürdet. Ärgerlich fand ich, dass nach der Repräsentantenrunde fast ausschließlich Pro-Arndt-Beiträge kamen, die spontan erscheinen sollten, aber gut vorbereitet waren, während die Gegenseite nichts nachschieben konnte. Ärgerlich deshalb, weil die Publikumsrunde im Widerspruch zur argumentativ- inhaltlichen Ausgangsbasis der Eingangsrunde stand; auch über mich selbst habe ich mich geärgert, weil ich mich in der emotional aufgeheizten Situation nicht getraut habe, meine sich entwickelnde Position zu äußern. Trotzdem, zurück zum Ausgangspunkt, es hat sich gelohnt!

Zur Person

„Ersti“ Ewald Leppin studiert an der Uni Greifswald Slawistik und Geschichte. 1944 im polnischen Teil Pommerns geboren, lebte er bis 1953 in Flüchtlingslagern. Er beginnt 1965 ein Studium in Hamburg und wird 1968 in der Studentenbewegung aktiv. Bis zu seinem Ruhestand im Sommer 2008 war er Realschullehrer in Hamburg. Auf der Suche nach
den eigenen Wurzeln lockte ihn Greifswald als Fahrradhauptstadt sowie die Nähe zur Ostsee und Polen. Wenn er heute nicht gerade studiert, kocht er gern vegetarisch oder verbringt Zeit mit „Outdoor“-Aktivitäten wie „wild Zelten“, Hochlandtrekking, Paddeln und anderen Sportarten. Im StudiVZ konnte man ihn auch mal finden, aber nach einem Bericht über die mangelnde Datensicherheit hat er sich dort wieder „exmatrikuliert.“